Archive for Mai 2009

Nairobi Blues

29. Mai 2009

Auf dem Rückflug von Dar es Salaam steigen wir Piloten in Nairobi bereits wieder aus, während die Kabinenbesatzung den Heimweg mit der neuen Flight Crew fortsetzt. So kam es, dass ich meine charmanten Inselgenossinnen in die Obhut meiner Kollegen übergeben musste und bei strömendem Regen und zur vorgerückten Stunde, nur begleitet von meinem Chef, ins Hotel chauffiert wurde.

 

Dort angekommen erfuhren wir, dass unsere Begegnung mit der Weltpolitik seine Fortsetzung findet. Zwar weilt nicht Obama in unserem Hotel und auch nicht Qadhafi, aber immerhin Paul Kagame, der Präsident von Ruanda. Kagame wurde auch als Napoleon Afrikas bezeichnet und wer sich für den ruandischen Völkermord von 1994 und Kagames Rolle dabei interessiert, dem möchte ich das Buch „Shake Hands with the Devil“ (oder zu Deutsch „Handschlag mit dem Teufel„) vom damaligen Kommandanten der UNAMIR-Mission, Roméo Dallaire, ans Herz legen. Nicht erbaulich, aber meines Erachtens Pflichtlektüre für jeden, der sich für die Mechanismen und die Scheinheiligkeit der internationalen Politik interessiert.

 

Wegen der Anwesenheit von Kagame finden in unserem Hotel zahllose Konferenzen statt, an denen es von wichtigen Leuten und solchen, die sich dafür halten, nur so wimmelt. Als Nebeneffekt gehören wir, in der sonst eher informellen Safari Lodge, zu den wohl am schlechtesten gekleideten Gästen, was aber glücklicherweise in Afrika niemanden zu stören scheint.

 

Die ungewohnte Aktivität im Hotel wurde leider nicht zum Anlass genommen die Hotelbar länger offen zu halten und so mussten wir, für unser Feierabendbier, wie gewohnt in die Karaoke Bar neben der Disco ausweichen. Nicht, dass dort je einer gesungen hätte, aber das Lokal ist bis in die frühen Morgenstunden geöffnet und im Gegensatz zur Disco kann man sich ausser mit Handzeichen auch verbal einigermassen verständigen.

 

Unsere Bierquelle und die angrenzende Disco waren, wohl wegen der erwarteten wichtigen Gäste, von einer stattlichen Anzahl junger Geschäftsfrauen frequentiert, die zu dieser unchristlichen Zeit ihrem nicht weniger unchristlichen Gewerbe nachzugehen versuchten. Mangels an Politikern und Beamten, rückten allerdings bald zwei Piloten in den Fokus ihrer Geschäftsinteressen und als unsere Versuche, die Damen mit hochstehenden, philosophischen Diskussionen von ihren eigentlichen Zielen abzulenken, erfolglos blieben, traten wir einen taktischen Rückzug auf unsere Zimmer an – alleine wohlverstanden.

 

Heute ist das Wetter noch immer trüb und es wird noch immer konferiert. Nur die aufdringlichen Damen sind offenbar etwas lichtscheu und deshalb verschwunden. Kein Verlust. Den Tagesanzeiger von gestern habe ich nun bereits zweimal gelesen und kann daraus definitiv keine neuen Erkenntnisse mehr ziehen. Offenbar gibt es wirklich nur etwas älteres als die Zeitung vom Vortag.

 

Zum lernen für meinen jährlichen Auffrischer-Boden-Kurs mit anschliessender Theorieprüfung – RGC, ESET, GSR oder wie das Ding zur Zeit gerade heisst – kann ich mich beim besten Willen nicht motivieren und selbst beim Blog schreiben befällt mich eine bleierne Schwere. Ich werde also irgendwo eine trockene Stelle suchen, wo ich mich, mit Kaffe versorgt, einen Tag hinter meinem Buch verstecken kann. Hätte ich bloss nicht so eine komplizierte Lektüre eingepackt…

 

Das ist der Nairobi Blues!

Sidi Barrani

28. Mai 2009

Auf meinem Flug nach Nairobi hatte ich mehrere Begegnungen mit der Weltpolitik. Natürlich war nicht Obama an Bord, nicht einmal Muammar al-Qadhafi, aber mit eben diesem Wüstendespoten mussten wir uns bereits bei der Flugvorbereitung auseinandersetzen.

 

Seit sein Fils du Papa in Genf, wegen verprügeln seiner Angestellten, vorübergehend in Haft genommen wurde, ist der wüste Despot nämlich nicht mehr gut auf die Schweiz zu sprechen. Zuerst wurden, als Retourkutsche, zwei Schweizer verhaftet, die auch heute, nach mehreren Monaten, das Land noch immer nicht verlassen dürfen. Gleichzeitig wurde mit dem Stopp der Öllieferungen gedroht. Als der ölige Diktator aber merkte, dass der Lieferstopp nur seiner eigenen Tasche schadet, begann er statt dessen Schweizer Firmen zu drangsalieren und wer böte sich da mehr an, als die SWISS. Folgerichtig wurden zuerst die Streckenrechte nach Tripolis gestrichen und seit ein paar Wochen ist uns selbst das Durchfliegen des libyschen Luftraumes verboten.

 

Deshalb mussten wir, auf unserem Nairobi Flug, einen Umweg über Ägypten und den Sudan in Kauf nehmen. Dabei fiel mir ein, wie glücklich wir uns schätzen müssen, dass Carla Del Ponte nicht mehr Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs ist, da uns sonst vom sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir, der von diesem Gericht, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zur Verhaftung ausgeschriebenen ist, wohl auch diese letzte Flugroute nach Ostafrika verbaut würde!

 

Da die gute Carla aber zur Zeit noch, mit einem von Madame Calmy-Rey verordneten Maulkorb, in Argentinien weilt, blieben die einzigen Hindernisse auf unserem Weg nach Kenia ein paar Gewitterzellen. Nach einem kurzen Tankstopp und der der Verabschiedung der Hälfte unserer Gäste in Nairobi, setzten wir zum Hüpfer nach Dar es Salaam an, wo ich mich, in Begleitung dreier netter junger Damen, auf einer einsamen Insel im indischen Ozean, von den Strapazen der Weltgeschichte erholen konnte.

 

Aber was hat des Ganze nun mit Sidi Barrani zu tun? Oder besser, wer ist das überhaupt? Etwa ein neuer Begleiter von Kara Ben Nemsi, alias Old Shatterhand, in einem bisher unentdeckten Karl May Roman? Oder heisst so der nächste grössenwahnsinnige Diktator irgendwo zwischen Ouagadougou und Mogadischu?

 

Weit gefehlt! Sidi Barrani ist ein Navigationsfunkfeuer an der Ägyptischen Mittelmeerküste, welches wir auf unserer neuen Route überfliegen. Zudem ist es auch ein verschlafenes, von der Wüstenhitze versengtes Kaff, in dem vor vielen Jahren wohl einmal ein paar Schweizer festsassen und dabei, so stelle ich mir das zumindest vor, halb tot vor Langeweile den Jass (für Deutsche: Kartenspiel) Sidi Barrani erfunden haben. Damit schliesst sich der Kreis, denn vielleicht erfinden die in Tripolis festsitzenden Schweizer ebenfalls eine Abwandlung des Schweizer Nationalspiels und nennen es dann Qadhafi…

Miami

22. Mai 2009

Seit Langem hat mich das Planungsroulette wieder einmal nach Miami geschickt. Bereits bei der Planung wurde allerdings unsere Vorfreude etwas gedämpft, da die Wetterprognose nichts Gutes, sprich Dauergewitter verhiess. Zudem wurde uns mitgeteilt, dass unsere Kollegen am Vortag, wegen unerwarteten Umwegen und den damals noch nicht vorhergesagten Gewittern, nach Orlando ausweichen mussten und so sorgten wir bei der Treibstoffplanung vor, indem wir für einmal wenig Rücksicht auf die schlechte Wirtschaftslage und die wieder steigenden Ölpreise nahmen und tüchtig zusätzlichen Treibstoff bestellten.

 

Die komfortablen Kerosinvorräte waren dann wohl auch der Grund dafür, weshalb wir im Miami problemlos und auf dem kürzesten Weg anfliegen konnten und warum, ausser ein paar harmlosen Schauern, weit und breit keine Gewitter zu sehen waren. So landeten wir schliesslich etwa 30 Minuten zu früh und mit fast schon unanständig viel Treibstoff in den Tanks…

 

Tags darauf stellte sich dann ein völlig neuartiges Problem, musste ich doch einen Weg finden, wie ich meinen freien Tag in Miami verbringen konnte. Es war natürlich wiederum Dauerregen angesagt und so stellte ich, nach Konsultation eines Online Wetterradars, fest, dass meine einzige Chance auf Sonnenschein darin bestand, nach Süden in die Keys aufzubrechen. Dazu benötigte ich natürlich einen fahrbaren Untersatz, welchen ich in weiser Voraussicht bereits von zu Hause aus reserviert hatte. Allerdings musste ich feststellen, dass die Amerikaner, in der derzeitigen Krise, kein Geld mehr für ein Autodach haben und so musste ich mich, nolens volens, mit einem Cabriolet begnügen. Also Verdeck runter und ab in den Süden…

 

 

Mein erster Halt war in Key Largo, wo ich, um nicht noch mehr kostbares Öl sinnlos zu vernichten, mit reiner Muskelkraft bei drückender Hitze, in einem unklimatisierten Kanu, durch die Mangrovensümpfe paddelte. Völlig abgekämpft und irgendwo zwischen Sonnenbrand und Sonnenstich, beschloss ich nach 90 Minuten, die eben erst begonnene nautische Karriere bereits wieder an den Nagel zu hängen und statt dessen den Nachmittag irgendwo zwischen Sandstrand und Poolbar zu verbringen. Deshalb fragte ich beim erstbesten Ferienresort dreist, ob es möglich wäre die Poollandschaft zu benutzen, was mir zu meinem Erstaunen problemlos gestattet wurde. So konnte ich in äusserst angenehmem Umfeld meine Körpertemperatur wieder auf ein vernünftiges Mass senken und mich optimal für das Abendprogramm vorbereiten.

 

 

 

Wer mich kennt wird nicht besonders überrascht sein, dass ich für den Sonnenuntergang meine beiden Lieblingsplatze aufsuchte: Das Nachtessen gönnte ich mir in der Islamorada Fish Company und für die 90 Minütige Rückfahrt nach Miami Beach stärkte ich mich danach bei etwas Live Musik in der Lorelei Cabana Bar. 

 

 

 

Nun hoffe ich, dass alle tiefes Mitleid für mich und mein bitteres Pilotenleben empfinden. 😉 
 

 

Verschwörungstheorien

18. Mai 2009

Egal wohin man geht, fährt oder fliegt, man kommt zur Zeit nicht um Verschwörungstheorien herum, denn die Werbemaschinerie von Hollywood wirbt überall plakativ und aggressiv, für seinen neuesten Kassenschlager „Illuminati“.

 

Ich bin jetzt zwar nicht unter die Kinokritiker gegangen – ich habe den Film noch nicht einmal gesehen – aber dennoch mache ich mir natürlich gewisse Gedanken zu den Aktualitäten unserer Zeit und so bleibt es mir als Schweizer nicht verborgen wie schlecht mein Land immer wieder abschneidet.

 

Im aktuellen Fall von Illuminati spielen gleich zwei Institutionen, auf die wir Schweizer stolz sind, eine äusserst dubiose Rolle. Zuerst ist da das CERN, welches kaum hat sich die Aufregung über die potentielle Zerstörung der Welt mittels eines schwarzen Lochs, Pannen bedingt, etwas gelegt, schon wieder sein zerstörerisches Potential durchblicken lässt, indem es, ebenso realistisch, beim Versuch mithilft den Vatikan mit Antimaterie ins Jenseits zu befördern. Vor diesen Hintergrund ist es natürlich verständlich, dass Österreich kürzlich beschlossen hat seine Mitgliedschaft in dieser gefährlichen Organisation zu beenden. Beim neuen Flugzeug, welches am Anfang des Buches vorkommt, dem HSCT oder High Speed Civil Transport, würde ich allerdings, auch auf die Gefahr hin selber als Erleuchteter verdächtigt zu werden, gerne mal Hand anlegen 😉

 

Die zweite Schweizer Institution, die bei Dan Brown schlecht weg kommt, ist die Schweizer Garde. Bis zum Schluss rätselt der Leser, ob die Bewacher des Vatikans vom Bösen unterwandert sind und auch als am Ende ihre Unschuld bewiesen ist, bleibt der schale Beigeschmack eines ahnungslosen, arroganten und obstruktiven Haufens von Möchtegern Leibwächtern.

 

Natürlich sind wir Schweizer schon von „Sakrileg“  gewohnt, dass Dan Brown uns zu Buhmännern stempelt. Nur zu gut ist der intrigante Schweizer Bankier in Paris in Erinnerung geblieben und bei der Prieuré de Sion (deren wahre Geschichte findet man hier) wird mit keinem Wort erwähnt, dass Sion in der Schweiz liegt!

 

Auch in anderen Filmen werden wir Schweizer systematisch schlecht gemacht. Stellvertretend sei hier das böse Schweizer Muttersöhnchen aus dem letzten James Bond Streifen „Quantum of Solace“ oder der unfähige Botschaftsangestellte Balsiger in „Ernstfall in Havanna“ erwähnt.

 

Viel schlimmer als all diese literarischen und cineastischen Machwerke ist allerdings, dass die Schweiz auch in der Realität, falls die Politik denn etwas mit dieser zu tun hat, immer mehr in Ungnade fällt. So orten politische Verschwörungstheoretiker, wohl angespornt von den Marketingerfolgen Hollywoods und verwirrt durch die Folgen ihres eigenen Misserfolges, den Hort alles Bösen in der angeblichen Steueroase Schweiz und vergessen dabei geflissentlich, dass Oasen nur in Wüsten existieren und dass nicht die Oasen, sondern die Wüsten Anlass zur Sorge sind.

 

Auch innenpolitisch versorgt die Schweiz die Verschwörungstheoretiker immer wieder mit Nahrung. So wurde gestern, mit einer höchst suspekten Mehrheit 50.1%, die Einführung des biometrischen Passes und damit verbunden die flächendeckende  Erfassung und Speicherung der Fingerabdrücke aller Schweizer beschlossen. Nach der amerikanischen Einwanderungsbehörde, nach VISA, Master-, Migros Cumulus- und Coop Supercard, nach Youtube und Facebook, darf nun also auch der Schweizer Staat, die Schutzmacht aller Bösen und Banker, sensitive Daten seiner Bürger erfassen! Da ist es nur verständlich, dass das Gros der Schweizer Jungpolitiker und die Hälfte der (abstimmenden) Bevölkerung diese offensichtliche Verschwörung des Staates gegen seinen unbescholtenen Souverän, verhindern wollte. Einziger Lichtblick in diesem Umfeld bildet da der ebenfalls gestern beschlossene, verfassungsmässige Schutz der komplementären Quacksalber vor der Verschwörung der bösen Wissenschaftlichkeit.

 

Abschliessend frage ich mich, wie ein vernünftiger Mensch ernsthaft glauben kann, dass die Mondlandung nie statt fand, dass das World Trade Center absichtlich gesprengt wurde, dass Elvis lebt oder dass die UBS absichtlich amerikanischen Kunden bei der Steuerhinterziehung half. All diese paranoiden Hirngespinste könnten einen logisch denkenden Menschen zur Verzweiflung treiben, aber zum Glück weis ich ja, dass dies alles nicht real sein kann, denn das Universum ist bekanntlich nur in eine Computersimulation…

 

 

SWAP

15. Mai 2009

Dass man in New York besser nicht Auto fährt weiss jeder, der schon einmal dort war. Die Fahrt vom Flughafen Kennedy nach Manhattan dauert gewöhnlich etwa eine Stunde und muss, wegen den zahlreichen Staus, über weite Strecken im Schritttempo absolviert werden. Dasselbe gilt natürlich auch für die Rückfahrt und so waren wir gestern, zu Beginn unserer Rückreise, angenehm überrascht als wir, dank neuen Um- und Schleichwegen unseres Fahrers, schon nach 45 Minuten den Flughafen erreichten. Unsere Euphorie wurde allerdings ein erstes Mal gedämpft, als wir, bei der Flugplanung, von unserem Dispatcher hörten, dass sich eine Gewitterfront von Westen nähere und dass deshalb mit etwa einer Stunde Rollzeit zu rechnen sei.

 

Auf dem Flugzeug angekommen versuchten wir deshalb alle Prozesse zu Beschleunigen und dank guter Arbeit des Stationspersonals und dem unerklärlichen Fehlen des sonst üblichen, fehlenden Passagiers, konnten wir tatsächlich eine Viertelstunde zu früh zurückstossen. Der Bodenlotse schickte uns, um uns in die Warteschlange einzufädeln, wie gewohnt auf Umwegen Richtung Startpiste, als ich hörte wie eine A320 von Jet Blue, mit der Anweisung dort die Triebwerke auszuschalten, in ein Warteraum geschickt wurde. Mit leichter Schadenfreude bemerkte ich: „Lieber die als wir!“

 

Kurz darauf meldete der Kontroller: „All stations, ATIS Tango is now current“ und beim darauf folgenden Notieren der neuen Wetterdaten hörte ich, dass SWAP in Kraft gesetzt sei. SWAP ist nicht etwa eine neuartige Tauschbörse, sondern heisst Severe Weather Avoidance Plan und bedeutet, dass irgendwo im Umfeld des Flugplatzes ein Gewitter entdeckt wurde und dass nun der ganze Flugverkehr um dieses Gewitter herumgeführt wird, was im eh schon heillos überlasteten New Yorker Luftraum natürlich zu groben Verspätungen führt – oder um es in der Roulette Sprache zu sagen: „rien ne va plus!“

 

Beim Auffahren auf die Warteschlange, bemerkte ich zu meinem Schrecken, dass vor uns drei Jet Blue Airbusse standen und auf meine bange Anfrage wurde uns bestätigt, dass dies diejenigen mit den abgeschalteten Triebwerken seien und wir wurden angewiesen unsere Motoren ebenfalls auszuschalten. Nach 25 Minuten standen wir deshalb ohne Antrieb und eingeklemmt zwischen ziemlich viel Aluminium, mitten auf einer Rollbahn und warteten auf bessere Zeiten. Diese kamen nach weiteren 30 Minuten Daumen drehen, als wir schliesslich unsere beiden Rolls Royce wieder starten durften und so konnten wir nach insgesamt 75 Minuten Roll- beziehungsweise Wartezeit endlich die arg verspätete Heimreise antreten.

 

Während der ersten drei Stunden haderten wir deshalb etwas mit unserem Schicksal. Als wir aber kurz nach Gander in Neufundland hörten wir, wie unsere Kollegen auf dem Heimweg von Chicago, wegen eines medizinischen Notfalls an Bord, eine Clearance zur Zwischenlandung in Halifax verlangten, waren wir froh, dass Mr. Murphy, entgegen unserer Vermutung, offenbar trotzdem nicht bei uns im Flugzeug sass und dass wir mit 20 Minuten Ankunftsverspätung noch glimpflich davon gekommen waren…

 

Schweinereien im grossem Apfel

14. Mai 2009

Die Schweinegrippe wird zwar, sobald die Medien eine andere Sau durch die Gassen treiben können, aus den Schlagzeilen verschwinden, aber zur Zeit hält sie sich hartnäckig auf den Titelseiten. Die USA scheint dabei langsam aber sicher Mexiko als das primäres Seuchenzentrum abzulösen und folglich ist es nur logisch, dass ich diesen Monat vorzugsweise zu Uncle Sam fliege. Schlimmer noch: ich wurde nach New York geschickt, in den Big Apple.

 

Eine kurze Google Suche mit den Stichworten „Schwein“ und „Apfel“ wird auch den grössten Skeptiker davon überzeugen, dass die Sau und das Kernobst eine ideale Kombination darstellen. Es finden sich nämlich unzählige Rezepte mit Schweinefleisch an Apfelsauce und man bemerkt auch schnell, dass die versauten Paarhufer dem Apfel als Nahrungsmittel durchaus nicht abgeneigt sind. Die Gefährdung meiner Gesundheit im grossen Apfel, in dem die schweinische Grippe grassiert, ist deshalb wohl offensichtlich.

 

Wer jetzt allerdings denkt ich laufe mit einer dieser saukomischen Gesichtsmasken durch die Gegend oder ich verkrieche mich im Hotelzimmer, der kennt mich schlecht. Um mich bestmöglich vor der pandemischen Schweinegrippe zu Schützen, habe ich nämlich viel subtilere Vorkehrungen getroffen. Wild entschlossen den Kontakt mit Schweinen zu meiden, habe ich mir heute Abend, zusammen mit meinem Kapitän, als Mitternachtssnack, ein Rindsfilet gegönnt und dabei haben wir, um ganz sicher zu gehen, unseren Gastrointestinaltrakt mit je einer halben Flasche köstlichem Rotwein (zum halben Preis) desinfiziert. Natürlich haben wir es dabei tunlichst unterlassen auf dem Tisch eine Schweinerei anzurichten und auch das Gespräch bewegte sich auf gepflegtem Niveau, um nicht Gefahr zu laufen, dass plötzlich einer beginnt versaute Witze zu erzählen.

 

Bevor ich nun aber total dem Sauglattismus verfalle, lege ich mich lieber schlafen, damit ich morgen einigermassen fit den New Yorker Wetterkapriolen trotzen kann. Nach dem sommerlichen Tag heute ist für morgen nämlich Sauwetter angesagt…

 

 

 

 

Israel und Deutsche

13. Mai 2009

Zur Zeit sind Israelreisen total angesagt. Hillary Clinton war dort und der deutsche Papst Ratzinger weilt ebenfalls gerade im heiligen Land. Da ich nicht als letzter diese Reise antreten wollte, nutzte ich die Gelegenheit, dass Mahmud Ahmadinedschad noch nicht dort war, verband das Mühsame mit dem Nützlichen und absolvierte meinen Line Check auf einem Tel Aviv Flug.

 

Zum speziellen Anlass herrschte Kaiserwetter und ich durfte die A330 via den immer spannenden Sichtanflug auf die Piste 30 steuern. Natürlich strengte ich mich an meinem Checkflug besonders an und legte einen Bilderbuchanflug hin, den ich mit der gewohnt butterweichen Landung krönte. Da auch der Checker mit meiner fliegerischen Leistung zufrieden war, enttäuschte es mich sehr, dass ich, im Gegensatz zu Clinton, Papst und Konsorten, nicht mit einem roten Teppich empfangen wurde und so entschloss ich mich zur sofortigen Rückreise nach Zürich.

 

Der Rückflug war bis kurz vor Zürich ereignislos, wurde aber dank Gewittern über Süddeutschland, die auf dem Wetterradar mehr schlecht als recht sichtbar waren und 20 Knoten Rückenwind im Anflug auf die Piste 14 nochmals spannend. Da wir uns trotzdem eine sichere, komfortable und pünktliche Landung erarbeiteten, blieb dem Checker nichts anders übrig als uns ein weiteres Jahr für die Streckenoperation freizugeben und so bleibt mir heute Mittag nichts anderes übrig als in den sauren Apfel zu beissen und in den mit Schweinegrippe verseuchten Big Apple zu fliegen.

 

Als ich mich schliesslich am Computer für den wohlverdienten Feierabend abmelden wollte, bemerkte ich eine e-Mail von der Geschäftsleitung, in der uns die Ernennung eines neuen Chief Commercial Officer angekündigt wurde. Der Herr stammt, wie könnte es anders sein, natürlich aus Deutschland. Nebst seinen Aufgaben in unserer Firma, wurde auch sein Werdegang kurz beschrieben, allerdings fand ich in dem Schreiben keinerlei Informationen darüber, ob der neue Manager nun zwecks Steuerhinterziehung in die Schweiz kommt, ob er vor Steinbrücks Kavallerie flüchtet oder ob die Jobangebote in Burkina Faso einfach nicht gut genug waren.

 

Auf der Heimfahrt hörte ich in den Radionachrichten, dass sich die Schweizer Regierung, angesichts der Wirtschaftskrise und wegen übermässiger Zuwanderung aus dem EU Raum, speziell aus Deutschland, überlegt auf eine Schutzklausel in den bilateralen Verträgen mit der EU zurückzugreifen und die Grenzen für ausländische Arbeitnehmer wieder dicht zu machen. Für die Swiss, nota bene die Schweizer Nationalfluggesellschaft, würde dies allerdings die totale Katastrophe bedeuten, müssten doch in Zukunft Vakanzen im Management mit Schweizern besetzt werden und was Schweizer Airlinemanager bedeuten mussten wir in der Vergangenheit bereits mehrmals schmerzlich erfahren…

 

Check/Refresher

6. Mai 2009

Der geneigte Leser, der den Beitrag über meine Selbstfindung gelesen hat, weis, dass ich kürzlich meinen Check/Refresher hinter mich gebracht habe. Dieses zweitägige Ritual müssen wir Piloten halbjährlich über uns ergehen lassen. Der erste Tag beinhaltet jeweils den Check, an dem sich entscheidet, ob wir unseren Beruf für ein weiteres halbes Jahr ausüben dürfen. Er beginnt, für den nicht nach seinem Blog suchenden Durchschnittspiloten, mit dem Briefing, bei dem der Checker die Prüflinge mit tiefschürfenden Fragen zu Nebeloperation, Technik und Procedures löchert. Natürlich hilft es da, wenn man sich auf diese Fragerei vorbereitet.

 

Dabei gibt es zwei Strategien: Man kann, in der Hoffnung alle Fragen zu beantworten, versuchen möglichst viel Wissen ins Hirn zu pressen oder man nutzt die Unklarheiten in den Manuals um den Checker mit so vielen Fragen einzudecken, dass die Zeit fürs Briefing verstreicht, ohne dass man selbst seine Wissenslücken offenbaren muss. Bisher bin ich mit der zweiten Variante eigentlich immer gut gefahren. Leider scheint sich diese Taktik mittlerweile herumgesprochen zu haben, da mein Checker, als er den Notizblock mit meiner Fragensammlung sah, trocken bemerkte, dass diese mir nicht helfen werde, da er den Trick auch selber anwende und deshalb dagegen immun sei. Pech gehabt!

 

Nach dem Fragengewitter ging es dann, anschliessend an einen kurzen Besuch bei der Kaffeemaschine, um den Koffeinpegel wieder auf einen vernünftigen Stand zu bringen, in den Simulator, wo uns, im Verlauf des dreieinhalb Stunden dauernden Programms, vier mal ein Triebwerk um die Ohren flog und, damit das Ganze nicht allzu langweilig wurde, zusätzlich noch ein paar Probleme mit dem Fahrwerk-Computer und den Landeklappen eingebaut wurden. Damit ich auch im nächsten Jahr wieder als Cruise Enlarger agieren darf, musste ich zu Abschluss, vom linken Sitz aus, noch einen Kabinendruckabfall über dem hohen Terrain im Iran bewältigen. Hoffentlich wird mir das, bei meinem nächsten Besuch in den USA, nicht als ungebührliche Unterstützung des Regimes in Teheran ausgelegt! Nach einem kurzen Debriefing, dem Ausfüllen aller nötigen Formulare, dem Unterschreiben unserer Qualifikationen und der Verlängerung unserer Lizenzen konnten wir schliesslich den Check als erfolgreich bestanden betrachten.

 

Am folgenden Tag stand dann der Refresher auf dem Programm. Auch hier begann es mit einem Briefing und nach dem unverzichtbaren Besuch beim Kaffeeautomaten durften wir uns im Simulator zu Trainingszwecken mit Scherwinden, Terrain- und Kollisionswarnungen, gefolgt von einer Bombenexplosion mit Kabinendruckabfall und diversen Problemen mit falschen Anzeigen auf unseren Fluginstrumenten herumschlagen. Natürlich durften, neben dem einen oder anderen Triebwerksausfall, auch eingeschränkte Steuerbarkeit unseres A340 und die üblichen Probleme mit dem Fahrwerk nicht fehlen. Etwas abgekämpft brachten wir nach der Simulatorübung noch drei Stunden Theorieunterricht hinter uns, bevor wir uns auf dem Heimweg zu Familie und wohlverdientem Bier machten.

 

Wer jetzt denkt, dass ich nun wieder ein halbes Jahr Ruhe vor der Fragerei und Checkerei habe, der täuscht sich gewaltig. Bereits nächste Woche werde ich zu meinem Linecheck antreten, bei dem überprüft wird ob ich auch in der Linienoperation den Anforderungen gerecht werde und bei allen operationellen und planungstechnischen Fragen sattelfest bin. Natürlich werde auch ich wieder meine Fragensammlung mitnehmen. Schliesslich muss ich den Checker – hoffentlich ist dieser nicht auch so abgebrüht wie der letzte – nur zweimal gut dreieinhalb Stunden mit meinen Fragen von seinen abhalten…

 

Adressänderung

4. Mai 2009

Umziehen ist mühsam und mit viel Arbeit verbunden. Als ich vor knapp zwei Jahren in mein neues Heim ziehen durfte, war ich gut einen Monat mit Ein- und Auspacken beschäftigt und dazwischen lag ein Wochenende schweisstreibender Schlepperei mit Verwandten und Freunden. Wer wünschte sich da nicht, dass der ganze Umzug wie von Geisterhand von selbst von Statten ginge!

 

Man stelle sich nun aber vor nach Hause zu kommen und festzustellen, dass das eigene Haus verschwunden ist! Man steht also wie ein gelackter Affe mit, dem Schlüssel in der Hand, in der Landschaft und in findet partout keine Türe mehr zum Aufschliessen. Die eigenen vier Wände sind verschwunden, die gute Stube hat sich mitsamt der Glotze in Luft aufgelöst! Alles ist weg. Heimatlos, entwurzelt, verwirrt, verloren.

 

Etwa so ist es mir gestern ergangen, als ich mich am Morgen vor meinem Simulator Check noch kurz in meinen Blog einloggen wollte. Lost oder Without a trace, um es mit den Titeln amerikanischer Endlos-Serien zu sagen. Mein Blog war weg und ich bloglos, namenlos, identitätslos, entgeistert und in den unendlichen Weiten des World Wide Web verschollen.

 

Zum Glück gibt es Google. Nicht wegen der Werbung, die stresst noch immer, sondern als Orientierungshilfe für verlorene Seelen im Netz. So stellte ich fest, dass mein Bloghost unangekündigt und wohl zu Ehren meines Arbeitgebers, ein swiss vor den blog.ch geschoben hatte und nach einer messerscharfen Analyse und einer genialen Schlussfolgerung fand ich mich selbst unter http://skypointer.swissblog.ch wieder.

 

Man kann sich meine Erleichterung vorstellen! Identität zurück, Heimat zurück, Glück zurück. Mein Haus steht noch und sogar der Schlüssel passt noch ins Türschloss. Ein freundlicher Geist hat mein Heim ins Nachbardorf gestellt ohne dass ich einen Finger krumm machen musste. Mein Traum vom Umzug wurde mit fast zwei Jahren Verspätung also doch noch wahr! Leider wurde mangels Vorankündigung aus dem Traum ein Alptraum

 

Wenn man jetzt noch vernünftig Umlaute schreiben könnte und die Texteingabe einigermassen funktionieten würde, dann wäre die Welt fast schon wieder in Ordnung.