Auf dem Rückflug von Dar es Salaam steigen wir Piloten in Nairobi bereits wieder aus, während die Kabinenbesatzung den Heimweg mit der neuen Flight Crew fortsetzt. So kam es, dass ich meine charmanten Inselgenossinnen in die Obhut meiner Kollegen übergeben musste und bei strömendem Regen und zur vorgerückten Stunde, nur begleitet von meinem Chef, ins Hotel chauffiert wurde.
Dort angekommen erfuhren wir, dass unsere Begegnung mit der Weltpolitik seine Fortsetzung findet. Zwar weilt nicht Obama in unserem Hotel und auch nicht Qadhafi, aber immerhin Paul Kagame, der Präsident von Ruanda. Kagame wurde auch als Napoleon Afrikas bezeichnet und wer sich für den ruandischen Völkermord von 1994 und Kagames Rolle dabei interessiert, dem möchte ich das Buch „Shake Hands with the Devil“ (oder zu Deutsch „Handschlag mit dem Teufel„) vom damaligen Kommandanten der UNAMIR-Mission, Roméo Dallaire, ans Herz legen. Nicht erbaulich, aber meines Erachtens Pflichtlektüre für jeden, der sich für die Mechanismen und die Scheinheiligkeit der internationalen Politik interessiert.
Wegen der Anwesenheit von Kagame finden in unserem Hotel zahllose Konferenzen statt, an denen es von wichtigen Leuten und solchen, die sich dafür halten, nur so wimmelt. Als Nebeneffekt gehören wir, in der sonst eher informellen Safari Lodge, zu den wohl am schlechtesten gekleideten Gästen, was aber glücklicherweise in Afrika niemanden zu stören scheint.
Die ungewohnte Aktivität im Hotel wurde leider nicht zum Anlass genommen die Hotelbar länger offen zu halten und so mussten wir, für unser Feierabendbier, wie gewohnt in die Karaoke Bar neben der Disco ausweichen. Nicht, dass dort je einer gesungen hätte, aber das Lokal ist bis in die frühen Morgenstunden geöffnet und im Gegensatz zur Disco kann man sich ausser mit Handzeichen auch verbal einigermassen verständigen.
Unsere Bierquelle und die angrenzende Disco waren, wohl wegen der erwarteten wichtigen Gäste, von einer stattlichen Anzahl junger Geschäftsfrauen frequentiert, die zu dieser unchristlichen Zeit ihrem nicht weniger unchristlichen Gewerbe nachzugehen versuchten. Mangels an Politikern und Beamten, rückten allerdings bald zwei Piloten in den Fokus ihrer Geschäftsinteressen und als unsere Versuche, die Damen mit hochstehenden, philosophischen Diskussionen von ihren eigentlichen Zielen abzulenken, erfolglos blieben, traten wir einen taktischen Rückzug auf unsere Zimmer an – alleine wohlverstanden.
Heute ist das Wetter noch immer trüb und es wird noch immer konferiert. Nur die aufdringlichen Damen sind offenbar etwas lichtscheu und deshalb verschwunden. Kein Verlust. Den Tagesanzeiger von gestern habe ich nun bereits zweimal gelesen und kann daraus definitiv keine neuen Erkenntnisse mehr ziehen. Offenbar gibt es wirklich nur etwas älteres als die Zeitung vom Vortag.
Zum lernen für meinen jährlichen Auffrischer-Boden-Kurs mit anschliessender Theorieprüfung – RGC, ESET, GSR oder wie das Ding zur Zeit gerade heisst – kann ich mich beim besten Willen nicht motivieren und selbst beim Blog schreiben befällt mich eine bleierne Schwere. Ich werde also irgendwo eine trockene Stelle suchen, wo ich mich, mit Kaffe versorgt, einen Tag hinter meinem Buch verstecken kann. Hätte ich bloss nicht so eine komplizierte Lektüre eingepackt…
Das ist der Nairobi Blues!