Archive for November 2013

Capt MacGyver

24. November 2013

Amsterdam an einem kalten Novembermorgen. STD -5. All doors closed. Slides armed. Wir sind gerade an den letzten Checklistenpunkten vor dem Zurückstossen. Die Kabinenchefin kommt ins Cockpit und meldet, die Lademeisterin klopfe an die Tür und wolle offenbar nochmals etwas von uns. Ich weise sie an die Notrutschen an ihrer Türe nochmals zu entriegeln und die Türe zu öffnen.

Kurz danach kommt die aufgeregte Lademeisterin ins Cockpit und stammelt: „The Jetty, a cord, the roof – I cannot explain.“ Aha. Alles klar. Worum geht‘s? „Can I see it?“ frage ich. „Oh yes! Please.“

Ich verlasse das Cockpit und betrete die Passagierbrücke. Die Lademeisterin deutet aufgeregt nach oben. Auf den ersten Blick sehe ich nichts Aussergewöhnliches. Die Brücke ist noch immer mit dem Flugzeug verbunden. „Is something boken?“ „Yes the cord!“ Tatsächlich entdecke ich ein abgerissenes Stück Seil, welches entlang dem Flugzeugrumpf herunterhängt. Auf der anderen Seite des Jettydachs hängt, weit oben, das dazugehörige Gegenstück von einer Rolle herunter. Nun begreife ich das Problem. Eines der beiden Seile, welches das Jettydach vom Flugzeurumpf hebt ist gerissen und nun liegt das Dach auf dem Flugzeug, so dass der Jetty nicht mehr bewegt werden kann.

Ich ergreife das Gestänge des Dachs und versuche dieses zurückzuziehen. Keine Chance. Das Ding scheint aus Blei gefertigt zu sein. „If we could knot it together…“ sinniere ich laut. „Have you been a boyscout?“ Leider nein. “No, but I know a few sailing knots.”

Leider ist das Seil zu kurz. Man müsste zuerst ein paar Windungen von der Rolle loswickeln. Diese ist aber etwa 10cm zu hoch für mich und ich bin nicht nur der höchste Anwesende, sondern auch der längste. „Can you call for a mechanic, while I inform the passengers?“ Die Lademeisterin nickt.

Nach einer kurzen Ansage an unsere Gäste bin ich zurück und werde informiert, dass die Mechaniker in der nächsten Viertelstunde kaum auftauchen werden. Super. Nochmals mustere ich die Seilrolle. Vielleicht…

Mit etwas Schütteln am Seilende lockere ich die erste Windung und mit einem Luftsprung schaffe ich es tatsächlich das Seil etwas abzurollen. Drei Luftsprünge später ist das Seil lang genug um zusammengeknüpft zu werden. Nun weise ich die Lademeisterin an des Dach einzufahren. Der Motor ächzt und quietscht und gibt dann auf. Ein Alarm kreischt durch den Jetty. Das war wohl nichts. Aber warum? Eine etwas genauere Musterung fördert drei Umlenkrollen zu Tage. Captain Skypointer kratzt sich am Kopf und hält denselben schräg um die Hirnmasse auf möglichst engem Raum zu konzentrieren. Hmm.

Ein Flaschenzug! Logisch! „It’s a pulley!“ rufe ich und ernte verständnislose Blicke. Nach minutenlangem Gefinger habe ich den festgezurrten Knopf endlich wieder gelöst und ein mit ein paar weiteren Luftsprüngen ist das Seil nun lange genug um durch den Flaschenzug gefädelt zu werden.  Doch leider hängt an der unteren Rolle ein so schweres Gewicht, dass mir eine Hand fehlt um die Arbeit auszuführen. Gerade rechtzeitig taucht ein Herr mit Leuchtweste auf und ich frage hoffnungsvoll „Are you the mechanic?“ „No, the pushback driver. Is there a problem?“ Definitiv. Ich erkläre ihm das Problem und was ich machen will. Er grinst: „Are you a handyman?“

Tim Taylor der Heimwerkerkönig erscheint vor meinem geistigen Auge. Könnte passen, wenn ich an meine Erfahrungen mit meinem Abtropfgestell denke… Oder besser nicht. „Captain MacGyver“ grinse ich zurück „I need your help.“

Mit vereinten Kräften fädeln wir das Seil durch die ersten beiden Umlenkrollen. Dann stossen wir auf das nächste Problem. Eine Sicherungsschraube versperrt den Weg über die letzte Rolle. Shit! Aber halt – die Mutter sitzt lose! Mit klammen Fingern schraube ich das Ding ab. Jetzt funktioniert es! Seil zusammenknöpfen, Sicherungsschraube wieder rein, die Mutter von Hand bestmöglich anziehen. Sieht gut aus!

Ächzend setzt sich der Motor in Bewegung und das Dach hebt sich langsam vom Flugzeugrumpf. Heureka!

Krach. Eine Sirene heult. Was ist los? Sieht doch alles gut aus. Verwirrt schaue ich mich im Jetty um und sehe dass das unversehrte Seil auf der anderen Seite des Dachs nun aus einer seiner Rollen  gesprungen ist. Mit Hilfe des freundlichen Traktorfahrers ist das Problem schnell behoben. Nächster Versuch!

Jetzt läuft es ohne Probleme. Zwar hebt sich das Dach etwas Schräg, da die beiden Seile nicht exakt gleich lang sind, aber wir wollen ja keinen Schönheitspreis gewinnen. Schliesslich ist das Dach praktisch voll eingefahren und wir versuchen den Jetty vom Flugzeug zurückzufahren.

Statt mit einer Bewegung werden wir wieder mit der beschissenen Sirene belohnt. Offenbar verhindert das schräge Dach ein Einfahren. Mit vollem Körpereinsatz hängt sich der Traktorfahrer an das etwas längere Seil. Nun scheint das Dach praktisch gerade – und die Sirene heult wieder.

Captain MacGuyver und der Traktorfahrer schauen sich resigniert an und rufen dann gleichzeitig: „There must be a switch!“ Nach kurzem Suchen ist dieser gefunden und der Traktorfahrer drückt ihn mit der Hand zurück. Tatsächlich lässt sich der Jetty nun wegfahren und das Flugzeug ist endlich befreit.

Mit elf Minuten Verspätung, nach einer weiteren kurzen Passagieransage, stösst uns mein wertvoller Helfer vom Standplatz zurück und über die Gegensprechanlage gratulieren wir uns gegenseitig zu unserem „great job“. Amsterdam hat definitiv den besten Pushbackdriver der Welt!

Als wir losrollen ist noch immer kein Mechaniker in Sicht. Who cares, selbst ist der Kapitän. And with a little help…

Sämtliche Passagiere mit Weiterflug in Zürich haben übrigens ihre Anschlussflüge erreicht.

Who cares…

20. November 2013

…about Nespresso.

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The Early Bird Catches The Worm

13. November 2013

Frührotationen sind nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht im Winter. In der morgendlichen Dunkelheit und Kälte sind der Frost auf dem Flügel und das damit verbundene Enteisen, schon fast garantiert. Verspätung inklusive. Kein Wunder versuchen einige meiner Kollegen dies mittels Wunsch nach späterem Arbeitsbeginn zu vermeiden.

Nicht so Commander Skypointer. Auch er findet es zwar nicht besonders lustig, wenn um 4-Uhr-irgendwas der Wecker klingelt und er sich bereits vor dem ersten Flug mit eisigen Verspätungen herumschlagen muss,  aber Frührotationen habe auch ihre Vorteile. So ist am Morgen wenigstens das Fluggerät pünktlich auf Platz und nichts geht über einen Sonnenaufgang kurz nach dem Start, über der herbstlichen Hochnebelsuppe.

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Mit Finsteraarhorn, Eiger, Mönch, Jungfrau, und Matterhorn grüssen die markantesten Gipfel der Schweizer Alpen den noch jungen Morgen.

 

Aber auch die Franzosen lassen sich nicht lumpen und organisieren eine fantastisches Alpenglühen  auf dem Mont Blanc.

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Auf dem Rückweg war dann der Sonnenstand höher, die Aussicht aber noch immer grandios. Das Mont Blanc Massiv und das Matterhorn von einer ungewohnten Seite säumten wiederum den Weg.

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Danach ging es noch nach London. Natürlich liessen sich auch die Briten etwas einfallen. In Ermangelung anständiger Berge rückten sie einfach ihre Stadt ins beste Licht. Greenwich, Millenium Dome, Tower Bridge, die „Gurke“, London Eye, Whitehall, Palace of Westminster… Nichts wurde ausgelassen.

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Das frühe Aufstehen hat sich also gelohnt.

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Tetris World Championship

6. November 2013

Kürzlich haben wieder die Tetris Weltmeisterschaften stattgefunden und ich war dabei! Natürlich nicht als Mitspieler, denn dafür bin ich eindeutig zu alt und zu langsam. Stattdessen durfte ich staunend zuschauen, wie reihenweise Rechteckiges und Unförmiges gedreht, verschoben, gestapelt und zum Verschwinden gebracht wurde. Das Ganze fand dabei in einem Tempo statt, dass es mir beinahe schwindlig wurde.

Wer nun denkt die Teilnehmer dieser Weltmeisterschaften wären typische Computerfreaks, irgendwelche Nerds mit Hornbrille und fettigem Haar, täuscht sich gewaltig. Mehr als die Hälfte war weiblichen Geschlechts und durchs Band durchaus ansehnlich. Zudem gingen die Spieler(innen) zu meinem Erstaunen nicht etwa verkniffen ans Werk, sondern lächelten während dem Spiel freundlich und fanden sogar noch Zeit für etwas Smalltalk mit den Zuschauern.

Auch die Lokalität war einzigartig. Nicht etwa eine grosse Halle in irgendeinem Tagungszentrum am Ende der Welt, nein der Contest fand in einem Flugzeug statt! Der clevere Leser und geübte Vielflieger ahnt jetzt natürlich, das Bordunterhaltungssystem, welches ja standardmässig mit Tetris bestückt ist, könnte derart frisiert worden sein, dass die Spieler gegeneinander antreten konnten.

Falsch.

Zu den erschwerten Bedingungen dieser Weltmeisterschaften gehörte nämlich die Regel, dass statt simulierten, elektronischen Klötzchen, echtes, physisch existierendes Sperrgut versenkt werden musste. Was drängt sich also mehr auf, als zweihundert Passagiere, jeder bestückt mit Rollkoffer, Laptoptasche, Kleidertasche, Handtasche, Kameratasche oder Schminkkoffer, in eine A321 und auf 4 Flight Attendants losstürmen zu lassen, damit diese verzweifelt versuchen müssen all das Angeschleppte in die räumlich arg limitierten Hat Racks zu verstauen! Auf den höheren Levels kommen dann zu den üblichen Formen noch Pelzmäntel, Blumensträusse, Bilderrahmen, Schosshündchen, Gitarren, Cellos oder sonstige Abstrusitäten dazu…

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Jeder der einmal Tetris gespielt hat weiss, dass im Laufe des Spiels der Rückstau immer grösser wird, bis schliesslich gar nichts mehr geht. Natürlich verhält sich dies auch an den Weltmeisterschaften nicht anders, auch wenn es bis zu diesem Punkt erstaunlich lange braucht. Falls einer meiner Leser also beim Einsteigen ins Flugzeug wieder einmal im Stau stecken bleibt, dann hilft nur eins:

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…oder beugt vor, gebt das Gepäck auf und geniesst einmal so richtig unbeschwertes Reisen.