In unseren Planungsunterlagen wird jedes Detail vermerkt, das vom sogenannten „Courant Normal“ abweicht. Da steht zu lesen, dass ein Deckelchen auf der Abdeckung der Schiene einer Landeklappe fehlt, was gemäss Configuration Deviation Liste Punkt 57-07 problemlos erlaubt sei. Auch dass zurzeit zu wenig Nespresso Maschinen vorhanden seien wird erwähnt. Da jene in der ersten Klasse aber immer installiert sei, könne das Cockpit trotzdem jederzeit mit dem schwarzen Nass versorgt werden, weshalb die Flugsicherheit nicht tangiert sei. Ebenso wenig darf der defekte Drucker im Karbäuschen des Kabinenchefs fehlen. Der Maître Cabin dürfte das zu managen wissen…
In den Planungsdokumenten der Kabinenbesatzung steht sogar: „The Champagne may develop overpressure once the bottle is opened inflight… The bubbling is a sign of a good quality but unfortunately not amusing for the crew if it spills all over the place.” Es geht doch nichts über eine kleine Lachnummer…
Minutiös vorbereitet begeben wir uns auf das Flugzeug. Natürlich klappt alles wie am Schnürchen. Schliesslich haben sich alle an eine meiner Lieblingsweisheiten gehalten: PPPPP – jetzt darf ich das endlich wieder einmal schreiben: Proper Preflight Planning Prevents Poor Performance. Umso grösser die Überraschung als plötzlich der VIP Begleitdienst vor der Türe steht und ankündigt, dass unser Innenminister mit uns mitfliegen wird. Wir fragen uns, ob der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesrat der Gesundheitsgefährdung durch überschäumenden Champagner persönlich nachgehen möchte? Oder will er, in seiner Funktion als Bildungsminister und als mit Rebsäften versierter Westschweizer, der Kabinenbesatzung den korrekten Umgang mit Champagnerflaschen beibringen? Vielleicht will er als Forschungsminister die aerodynamischen Auswirkungen eines fehlenden Flap Track Fairing Covers auf das Flugverhalten einer A330 ergründen? Oder könnte er als Kulturminister sogar an der einigermassen erfolgreichen Integration unserer Deutschen Mitarbeiter in den Schweizer Flag Carrier interessiert sein?
Mangels Erwähnung dieses nicht ganz unwichtigen Besuches in sämtlichen Planungsunterlagen fehlen uns nun diese wichtigen Informationen. Natürlich macht unsere Cabin Crew und allen voran unser M/C trotzdem einen hervorragenden Job und sorgt dafür, dass sich unser jüngster Minister wohl fühlt. Allerdings führt die Tatsache, dass der polyvalente Herr von unserer Firma trotz fast leerer First Class nur in der Nespressofreien Business Class untergebracht wird, für einiges Stirnrunzeln innerhalb der Besatzung. Zum Glück scheint sich der von Standesdünkeln völlig freie Minister daran überhaupt nicht zu stören.
Im Reiseflug laden wir ihn natürlich zu uns ins Cockpit ein. Nicht schlecht: Wer kann von sich sagen er hätte einen amtierenden Bundesrat zur Privataudienz eingeladen… Der Minister kommt unserer Aufforderung gerne nach. Wie begrüsst man einen Bundesrat? Bonjour Monsieur le Conseil Fédéral? Wir entscheiden uns für „Grüezi Herr Berset“, schliesslich sind wir als Schweizer überzeugte Republikaner. Herr Berset scheint das nur recht zu sein und er bleibt eine gute Stunde bei uns im Führerstand. Viel über seine Indienreise haben wir dabei nicht erfahren (wer sich dafür interessiert kann das hier nachlesen), dafür weiss ich nun, dass unser Innenminister eine Privatpilotenlizenz besitzt und sich privat sehr für die Fliegerei interessiert. Satt dass wir ihn mit politischen Fragen bombardieren, löchert er uns zu Themen der Aviatik. Er scheint es zu geniessen einmal nicht politisieren zu müssen.
So ist es nur logisch, dass wir den hohen Herren zur Landung ins Cockpit einladen. Er scheint sich darüber ehrlich zu freuen und nimmt die Einladung an. Nun braucht es aber definitiv eine offizielle Bewilligung für den Besuch (man will ja korrekt und legal bleiben). Wir füllen ein sogenanntes „Cockpit Permit“ aus, was wir nur dürfen, wenn wir den Besucher persönlich kennen, aber das können wir nach dem stündigen Gespräch nun wohl guten Gewissens behaupten. Das Dokument birgt aber dennoch eine Tücke: Wir müssen den Arbeitgeber des Gasts angeben! Nach einigem Überlegen schreiben wir grinsend „Swiss People“. Ob das schweizerische Luftamt aus dem Namen A. Berset und dem Arbeitgeber Schweizer Volk wohl die richtigen Schlüsse zieht. Who cares…
Ich gebe mir bei der Landung natürlich besonders Mühe und kriege die Maschine mit Anstand zu Boden. Am Gate verabschiedet sich Herr Berset höflich von uns und wird vom Schweizer Botschafter in Indien in Empfang genommen. Für ihn geht die Arbeit nun los, während wir uns in Kürze ins Feierabendbier begeben. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass unser Bundesrat lieber mit uns mitgekommen wäre. Aber ich kann mich natürlich täuschen, denn beim Bier hätte ich ihn sicher aufgefordert mir für die gelungene Landung die Krankenkassenprämien für das nächste Jahr per bunderätlichem Dekret zu erlassen…