Archive for März 2013

Adverse Runway Conditions

28. März 2013

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Nein das ist nicht meine Kontonummer, sondern ein sogenannter Runway Report, wie er im Hundewetter der letzten Tage im Wetterbricht gestanden hat. Piste 14 (14), Schneematsch (6), 26-50% Bedeckung (5), 3 Millimeter tief (03), Bremswirkung unzuverlässig (99)…

Eigentlich freuten wir uns ja auf den Frühling und das Ende der durch Flugzeugenteisung und Schneeräumung verursachten Verspätungen, aber Frau Holle hatte da offenbar andere Pläne. Etwas Gutes hat das Sauwetter aber: so kann ich den von einem meiner Leser erbetenen Beitrag über den Einfluss der Pistenkontamination auf die Start- und Landeberechnungen doch noch schreiben.

Das Ganze beginnt in der Planung, wenn ein Zahlencode, wie der obige im METAR (METeorological Aerodrome Report) erscheint. Während ein solcher Zahlenbandwurm anfangs Winter jeweils zum Griff nach der Decodier-Tabelle führt, können gegen Ende diese Pistenzustandsberichte verzögerungsfrei auswendig entziffert werden. Wer sich genauer dafür interessiert, findet hier weitere Informationen oder kann sich einer der unzähligen SmartPhone Apps bedienen.

Nachdem der Pistenzustand nun also bekannt ist, kommt eine weitere Tabelle zur Anwendung:

adverse-rwy-cond

Diese zeigt welche Einstellungen zum Pistenzustand im Computerprogramm für die Startberechnungen vorgenommen werden müssen. Für die Landedistanzen gibt es bei uns zurzeit noch kein Computerprogramm, sondern eine weitere Tabelle welche in der entsprechenden Rubrik konsultiert werden muss…

landing-dist

Nun muss aber noch überprüft werden, dass das maximal zulässige Windlimit nicht überschritten wird. Dafür gibt es, der geneigte Leser wird es erahnen, eine weitere Tabelle:

xwind

Die in der ersten Tabelle ersichtliche äquivalente Pistenzustandsnummer dient hier zur Ermittlung der maximalen Seitenwindkomponente. Dabei wird immer in der untersten Zeile mit der entsprechenden Nummer eingestiegen. Falls eine Bremswirkung oder ein Bremskoeffizient rapportiert und relevant ist, kann dann eine höhere Limite gewählt werden, aber höchstens jene aus der obersten Zeile mit der entsprechenden Nummer. Alles klar?

Das war allerdings bloss der einfache Teil. Da bei Schneefall der Pistenzustand schneller ändern kann, als rapportiert wird, bildet ein Runway Report nur den Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt ab. Es bleibt dabei den Piloten überlassen abzuschätzen, ob der Runway Report noch der Realität entspricht oder ob und wie ein gewisser Konservatismus in die Berechnungen eingebaut werden muss.

Es ist mir diesen Winter mehr als einmal passiert, dass beim Start auf einer als bloss nass – sprich problemlos – gemeldeten Piste, das letzte, vom Anfang nicht einsehbare, aber beim Bremsen im Falle eines Startabbruchs essentiell wichtige Drittel in jungfräulichem Weiss erschien…

…und jetzt mein lieber Petrus, lass gefälligst den Frühling raus!

20 Minutes Delay

21. März 2013

Da ich schon fünf Tage gearbeitet hatte, standen am sechsten und letzten Tag nur noch Madrid und Frankfurt auf dem Programm. 10 Stunden 20 Minuten Flight Duty Time. Also nur knapp 2 Stunden länger als ein durchschnittlicher Schweizer Büroangestellter an einem Tag arbeitet – easy day.

Bei der Planung des Madrid-Fluges schwante mir angesichts der Windprognose ein erstes Mal böses. Der Wind war zwar nicht allzu stark, würde in der spanischen Hauptstadt aber wohl zu Anflügen aus Richtung Nord führen, was dort unweigerlich Anflugverzögerung bedeutet. Ein Schluck mehr Treibstoff schien mir also angezeigt.

Der Flug verlief dann einigermassen ereignislos. Wegen starken Gegenwinden und den erwarteten 15 Minuten Anflugverzögerung, kamen wir aber trotz pünktlichem Abflug in Zürich 20 Minuten zu spät in Madrid an. Mit den grosszügig berechneten 40 Minuten Bodenzeit, konnten wir, dank der guten Arbeit aller Beteiligten und trotz gut 130 ein- und aussteigender Fluggäste, ein paar Minuten Verspätung aufholen. Diese verloren wir aber gleich wieder in der Warteschlange vor der Startbahn und so landeten wir schliesslich mit denselben 20 Minuten Verspätung in Zürich.

Nach einem Flugzeugwechsel ging es nach Frankfurt. Obwohl auch unser neues Flugzeug zu spät in Zürich eintraf, waren wir rechtzeitig für einen pünktlichen Abflug bereit. Leider stimmte auch nach viermaligem Zählen verschiedener Cabin Crew Members die Passagierzahl nicht mit der vom Gate gemeldeten überein. Wir hatten einen Gast mehr an Bord als am Gate gezählt.

Trotz Abklärung eines „Double Seatings“, diverser „Last Minute Bookings“, eines „Last Minute Offloads“ und der freundlichen Mithilfe mehrerer Passagiere, konnte sich das Bodenpersonal die Differenz nicht erklären. Nach scheinbar endlosem, gemeinsamem Kopfkratzen, war noch immer keine Lösung in Sicht. Es war ein Führungsentscheid fällig und so entschloss ich mich, mit Zustimmung des Boden-Supervisors und meiner Besatzung, trotz der Differenz zu starten, da die Sicherheit mit einem Passagier mehr – im Gegensatz zum umgekehrten Fall – nicht tangiert ist. So starteten wir schliesslich mit 20 Minuten Delay und liessen das weiter über der rätselhaften Passagiervermehrung brütende Bodenpersonal am Boden zurück.

Dank relativ wenig Anflugverkehr betrug die Ankunftsverspätung in Frankfurt dann nur noch 10 Minuten. Mit zügiger Arbeit aller und einem unkonventionellen Boarding über zwei Türen hatten wir schliesslich auch diese 10 Minuten aufgeholt. Leider hatte nun aber das elektrische Beladesystem im Frachtraum den Geist aufgegeben und so mussten sämtliche Container, statt bequem und schnell elektrisch betreiben, mühsam und langsam mit Muskelkraft ein- und ausgeladen werden. Schliesslich verliessen wir Frankfurt mit 30 Minuten Verspätung.

Das hatte auch etwas Gutes. Zu dieser vorgerückten Stunde hat es in Zürich nämlich fast keinen Verkehr mehr und so kamen wir in den Genuss eines kurzen Anfluges und landeten schliesslich, der geneigte Leser wird es erraten, mit 20 Minuten Verspätung in Zürich.

Mittlerweile war die Müdigkeit auch beim Herrn Kapitän spürbar und so erstaunt es nicht, dass er wieder einmal seinen Hut im Cockpit vergessen hatte, weshalb er, nach der Verabschiedung seiner Besatzung, noch eine Ehrenrunde auf sein Flugzeug einlegen durfte, bevor er um 22:30 Uhr das Operations Center in Richtung wohlverdienter Feierabend verliess.

Irgendwie war es doch kein easy day geworden. What a surprise!

I Like Shorthaul

18. März 2013

Auf der Langstrecke war alles anders. Da hatte man Aufenthalte an schönen Orten. Es gab Restaurants am Meer, wo man sich an den lokalen kulinarischen Spezialitäten laben konnte oder man machte Ausflüge auf Berge oder Hügel. Auf der Kurzstrecke, sagt man, artet das Ganze in Arbeit aus und die Aufenthalte sind zu kurz um etwas von den Destinationen zu sehen. Beispiel gefällig?

Athen. Kaum angekommen mussten wir mit dem Taxi nach Microlimano.

Microlimano

Die Aussicht aus dem Restaurant konnte sich auf keinen Fall mit der Langstrecke messen…

Microlimano

…und die lokale Spezialitäten gab es auch keine:

Vorspeise Hauptgang

Zwecks Verdauung erklommen wir nach dem Essen noch den Lykabettos, welcher im Swiss-Jargon besser unter dem Pseudonym „Monte Uso“ bekannt ist. Leider war es da schon finstere Nacht, so dass wir nur die Aussicht auf die Lichter Athens geniessen konnten.

Athens by night Lykabettus_2

Wie gesagt: Auf der Kurzstrecke gibt es nichts zu lachen. Ein echter Scheissjob, aber jemand muss ihn ja machen und schliesslich waren wir ja nicht zum Vergnügen in Athen…

Contaminated Runway

3. März 2013

Weil kein Runway Report publiziert war ging ich naiver Weise davon aus, dass die  Piste in einem vernünftigen Zustand sei. Doch beim Line-up wurde ich eines Besseren belehrt. Das Ding war weiss statt schwarz und es waren keinerlei Pistenmarkierungen sichtbar!

Compacted Snow. Gemäss unseren Winter-Ops Vorschriften dürfen wir so nur starten, falls der Bremskoeffizient oder die von anderen Piloten gemeldete „Braking Action“ ein Minimum überschreitet. In Ermangelung eines Runway Reports musste ich diese Informationen also erfragen. Dabei war ich nicht wirklich überrascht, als man mir sagte, dass der viel genauere Bremskoeffizient nicht zur Verfügung stehe. Die Bremswirkung sei aber „Medium to Poor“ wurde mir versichert.

Ein kurzer Blick in unsere Tabellen zeigt, dass MED-POOR einem Bremskoeffizienten von 0.29-0-26 entsprechen sollte und ich also bis zu einer erstaunlich hohen Seitenwindkomponente von 20 Knoten starten durfte. Da zurzeit aber Kaiserwetter herrschte, stand dem Start rein juristisch nichts mehr im Wege. Natürlich müsste in so einem Fall eine neue Startberechnung gemacht werden, aber dafür hatte ich nun wirklich keine Lust und die Piste war ja weiss Gott lange genug!

Also los geht’s! Ready? Take-off!

Unter lautem Geheule beschleunigen wir immer mehr und die weisse Pracht stiebt nur so um uns herum. Während ich die Zunahme der Geschwindigkeit überwache bemerke ich, dass die Piste ein erstaunlich grosses Gefälle aufweist. Irgendwo im hintersten Winkel meine Hirns quengelt eine Stimme: „Du hättest Dich besser vorbereiten sollen! Das mit dem Runway Slope steht nämlich in den Allgemeinen Operationellen Informationen (AOI)“. Ja, ja ich weiss: PPPPPP (Proper Preflight Preparation Prevents Poor Performance), aber dafür ist es nun auch zu spät!

Also rumpeln wir weiter die Piste hinunter. He was ist denn das? Da vorne steht doch ein Hindernis auf der Piste! Ich trete voll in die Bremse. Braking Action MED-POOR? Wohl kaum. Das ist weniger als Poor. Das ist NIL – es bremst überhaupt nicht.

Zum Glück verfehlen wir das Vieh um Haaresbreite. Aber was soll das jetzt? Die verdammte Piste macht ja eine Kurve! Wo gibt’s den so was?

Ich trete voll in Ruder und nichts passiert. Wie auf Kufen schlitteln wir einfach geradeaus. Der Pistenrand kommt immer näher und zu meinem Schrecken erkenne ich, dass uns dort eine hohe Schneemauer erwartet. Kawumm!

Schnee fliegt mir um die Ohren und ich höre meine Passagiere schreien. Irgendwann komme ich zum Stillstand und der Staub legt sich. Die Trümmer liegen in Pistenrichtung und meine Passagiere scheinen wohlauf zu sein. Nur das Geschrei stört. Da hilft nur ein Ablenkungsmanöver: Kinder habt ihr das herzige Eichhörnchen gesehen, das wir vorhin knapp verfehlt haben?

Schhlitteln

Schlitteln macht Spass und müde. Zur Strafe für den Crash darf Papi uns nochmals hochziehen!